Clitzilla

Ellebasi & Ida Aniz

Die überdimensionierte Plastik mit einem an ein Fabelwesen erinnernden Namen stellt die Klitoris dar.

Die Anatomie der Klitoris wurde bereits im 16. Jahrhundert entdeckt, in medizinischen Publikationen beschrieben und auf ihre sexuelle Funktion hin untersucht. Die große Bedeutung für die weibliche Sexualität blieb aber weitgehend im Unklaren. Nachfolgend beschäftigten sich Mediziner immer wieder mit der Klitoris. So beschrieb der Arzt und Sozialreformer Bernard de Mandeville im Jahr 1724 die Rolle der Klitoris für das weibliche Begehren. Denis Diderot setzte ihr 1748 in seinem Werk „Die indiskrete Kleinode“ sogar ein literarisches Denkmal.

Dies passte aber nicht in die gängige, mit der Aufklärung hervorgetretene Theorie über die menschlichen Sexualorgane. Diese nahm die Vagina als einen nach innen gestülpten, aus männlicher Sicht verkümmerten Penis wahr. Noch im Jahr 1948 fand sich im medizinischen Standardwerk Grey’s Anatomy keine Beschreibung der Klitoris, obwohl es in der Ausgabe dieses Buches von 1901 bereits einen Eintrag gegeben hatte. 

Erst 1998 wurde die weitverzweigte, tieferliegende Struktur der Klitoris als wesentlicher Teil der Vulva und als komplexes erektiles Organ durch die australische Urologin Helen O’Connell faktisch wiederentdeckt. 

Obwohl die Klitoris eine bedeutende Funktion für die Sexualität und den Orgasmus der Frau besitzt und damit DAS Organ der weiblichen Lust darstellt, spielt sie bis heute in der öffentlichen Wahrnehmung kaum eine Rolle. Selbst im Sexualkundeunterricht ist die Aufklärung über dieses Organ eher mangelhaft.

Aus diesem Grund wollen wir mit dieser außergewöhnlichen Skulptur auf dieses für die weibliche Sexualität eminent wichtige Organ aufmerksam machen. Wir vergrößern die Klitoris, um sie aus dem Reich der Vergessenheit und Unwissenheit herauszuholen. 

Mit ihren schmalen Flügeln, den tropfenförmigen Schwellkörpern und der geneigten, abgerundeten Spitze wirkt die Skulptur wie eine Fantasiegestalt mit Kopf und Gliedmaßen. Es ist allerdings lediglich ihre Größe, die diese Skulptur zur Fantasiegestalt werden lässt, denn eigentlich steckt dieses „Wesen“ in jedem von uns – weil Klitoris und Penis aus medizinischer Sicht aus derselben Materie bestehen. Es sind dieselben Schwellkörper, die steif werden, anschwellen und über Drüsen Ejakulat absondern. 

Clitzilla vermittelt dieses anatomische Wissen auf unübersehbare Weise. Dabei wird die Idee des biologischen Geschlechts infrage gestellt, indem gezeigt wird, dass Männer wie Frauen auch „untenrum“ aus ein und demselben Guss stammen.

Let it grow, Teil 1 bis 4

EllebasiIda Aniz & Jana Schüßler

Vier weibliche Körper reduziert auf den übergroß dargestellten Unterleib, die Vulva zumindest teilweise von Blumen verborgen. Was soll neben der Ästhetik der Bildgestaltung zum Ausdruck gebracht werden? Wenn man sich die Bilder genau anschaut, erkennt man auch hier: jeder Mensch, jeder Körper, jede Vulva ist einzigartig schön. Da stört kein eingewachsenes Haar. Es muss nichts digital retuschiert oder gar schönheitschirurgisch gestutzt, gebleicht, geschnitten oder anders verändert werden.

Voile-​là, Teil 1 bis 4

Ellebasi, Ida Aniz & Jana Schüßler

Die Bilder zeigen jeweils die gespreizten, von einem durchsichtigen feuchten Tuch bedeckten Beine einer Frau mit frontalem Blick auf die Vulva. Das Tuch ist über dem Bereich der inneren und äußeren Schamlippen in jeweils unterschiedlichen Glitzerfarben eingefärbt. Über die Zentralperspektive wird eine Richtung vorgegeben und Tiefe erzeugt. Das feuchte Tuch stellt in seiner Symbolik einen Wiederspruch dar, denn man sieht mehr als man nicht sieht, obwohl der Körper verhüllt wird. Der Stoff dient der Verhüllung und damit dem Schutz des Körpers vor beispielsweise Wind oder, gerade im Zusammenhang mit dieser intimen Körperpartie, vor Blicken. 

O Prophet! Sprich zu deinen Frauen und deinen Töchtern und zu den Frauen der Gläubigen, sie sollen ihre Übergewänder reichlich über sich ziehen (wenn sie hinausgehen). So ist es am ehesten gewährleistet, dass sie (dann als keusche Gläubige) erkannt und nicht belästigt werden…” (Quran 33:59)

Der männliche Blick auf die nackte Frau wird als etwas Gefährliches gewertet, vor dem es die Frau zu schützen gilt. Wir aber wollen das Bild der Vulva schützen, indem wir durch diese offene Pose den Blick auf sie willkommen heißen. Mit bunten Glitzerfarben setzen wir Akzente, unterstreichen unterschiedliche Ausprägungen und holen die Vulva damit aus der Dunkelheit heraus. Während ein Schleier üblicherweise dazu dient, Formen zu verstecken und Blicke fernzuhalten, deuten wir ihn in seiner Funktion um, indem wir ihn als Mittel benutzen, um Blicke anzuziehen und Formen überhaupt erst zeigen zu können. Wir parodieren die hypersexualisierte Idee des Schleiers und relativieren den männlichen Blick, indem wir den Blick auf die Vulva für alle öffnen.

Golden Sand

Ellebasi, Ida Aniz & Jana Schüßler

Einer langen Tradition von Bildern folgend, in denen die Vulva mit ästhetischen Materialien überdeckt ist, sehen wir hier einen Ausschnitt einer behaarten, mit kupferfarbenem Glitzer bedeckten Vulva, während die Beine eng geschlossen sind. Das Glitzer, wie eine Welle über der Haut, bevor es langsam zur Kurve der Beine heruntertropft, bildet eine V‑Form. Haut und Haare dieses sexuellen Organs werden gefeiert, sodass dieses verschmähte und versteckte Körperteil zu etwas wird, was man unbedingt sehen muss. Dieses Fest glänzender Partikel auf unrasierten Haaren, was ansonsten eher kritisiert und im Vergleich zu einer rasierten Vulva als weniger schön empfunden wird, fängt unsere Blicke. Wir werden gezwungen, die ästhetische Schönheit dieses Körperteils anzuerkennen. Gleichzeitig aber verbirgt das Glitzer, das, was das Werk zelebriert – nämlich die Schamhaare.

Der Ursprung der Freude

Ellebasi, Ida Aniz & Jana Schüßler

Das Foto „Der Ursprung der Freude“ ist im Rahmen einer Fotosession ganz spontan entstanden. Vier Freundinnen haben sich dazu entschieden, nicht ihre Gesichter, sondern ihre Vulven ablichten zu lassen. Ein für alle Beteiligten sehr außergewöhnliches Gruppenbild, bei dem sich keiner selbst so recht ernst genommen hat. Der Moment wurde als ein komisches und freudiges Ereignis festgehalten. Die selbstbewusste Pose des mittig linken Modells motivierte auch die anderen dazu, sich zu zeigen, so wie man es selbst bisher vielleicht noch nie getan hat. Doch eines war allen gemein: ein lautes herzliches Lachen, das anstecken will.

Dem Motiv dieses Fotos diente Gustave Courbets Werk „L‘Origine du Monde“ (dt. „Der Ursprung der Welt“) als Inspiration. Dieses 1866 geschaffene Gemälde mit der Darstellung eines nackten weiblichen Torsos und einer in den Bildmittelpunkt gestellten schwarz behaarten Vulva, die sich in der Mitte dunkelrötlich öffnet, ist in der Kunst bis heute der Inbegriff von Skandal. 

Seine Rezeptionsgeschichte ist eine Geschichte von Grenzüberschreitungen und Verklemmungen, von Provokation und Prüderie. Das Bild hat Verbote, Empörung und Zensur, aber auch Debatten darüber, was Kunst darf und was nicht, ausgelöst. Lange wurde es versteckt oder verhüllt und gar nicht öffentlich ausgestellt. Noch im Jahre 2008 konnte man das Bild in einer großen Gustave-​Courbet-​Retrospektive des New Yorker Metropolitan Museum of Art nur in einem mit einem schwarzen Vorhang abgeteilten Raum finden.

Heute sind bildliche Darstellungen und detailgetreue Fotos von Vulven besonders in der Pornografie allgegenwärtig. Trotzdem bzw. gerade deshalb haben wir dieses Motiv gewählt und uns bewusst für die Präsentation dieser alles zeigenden fotografischen Darstellung in einem ungewöhnlichen Format entschieden. Wir wollen uns einerseits abgrenzen von der allgemeinen Scham, Verklemmung und Prüderie, die mit dem Zeigen und der bildlichen Darstellung weiblicher Geschlechtsorgane verbunden ist. Andererseits ist es unser Bestreben, sowohl die Einzigartigkeit als auch die Vielfältigkeit des Körperorgans Vulva zu zeigen. Weiterhin beschreibt das Bild, wie Frauen außerhalb sexueller Kontexte Heiterkeit und Freude an und mit ihren Vulven verspüren – unabhängig von männlichen Blicken und Zensur.

Dieses Foto soll nicht erregen, sondern anregen und den Betrachter dazu animieren, sich mit gängigen Moralvorstellungen und fragwürdigen gesellschaftlichen Normen auseinanderzusetzen. Vielleicht ist es uns auch gelungen, den Betrachter zum Schmunzeln zu bringen.

Bunte Vulvae

Cecilie Bluthardt

Bunt beschreibt es am besten, diese acht stilisierten Bilder von unterschiedlichen Vulvae in satten Farben.

Manche scheinen sehr nah am natürlichen Original, aufgrund der Farbgebung in Braun und Pink, während andere an das Fantastische grenzen in Grün und Tiefviolett.

Dieses Kunstwerk ist Poster und kreatives Baby von Vulvae n. e. V.: Eine Feier der Vielfältigkeit der verschiedenen Formen und Farbgebungen, die unsere Anatomie möglich macht, eine Erinnerung, dass kein bestimmter Typ repräsentativ sein kann und sollte.

Ein Aufruf, Stolz zu sein auf dieses Stück Anatomie, welches so oft aus dem Scheinwerferlicht gedrängt wird.

Vulvaaart. Vulva art with an extra a.

Lina Lätitia Blatt

Vulvaaart ist Selbstermächtigung unserer Pussies!

Wir bauen, drücken, ziehen, schieben, modellieren und verzieren. Während unsere Vulva zum künstlerischen Material wird, entziehen wir sie dem vorherrschenden sexualisierten Blick und schaffen Sichtbarkeit für andere/​neue/​unsere Perspektiven. Unser Körper – unsere Entscheidung! Plastikversionen der gesellschaftlichen Ideale obendrauf/​innendrin/​drumherum. Das extra a! Plastische Stereotype versus sachliche Vulven. Wir spielen mit Klitorisperle, Vulvalippen, Scheidensekret und Haaren. Wir spielen gegen dogmatische Normativität an – und wir haben gerade erst angefangen zu spielen!

V‑réalité

Andreas Melzer

Die dreiteilige Serie „V‑réalité“ von Andreas Melzer verbindet kalligrafische Elemente mit fließendem Aquarell. Der weibliche Körper, reduziert auf den Unterleib und die Vulva, ist mit lockeren, scheinbar flüchtigen Strichen großflächig auf Papier gebracht. Verlaufende Farben verstärken den expressiven Charakter der Bilder.

Obwohl Sexualität und Pornographie heutzutage allgegenwärtig sind, ist auch die heutige Gesellschaft nicht frei von Prüderie, Verklemmung und Tabuisierung. Diese Bilder sollen dies aufbrechen, ein neues Bewusstsein schaffen, den Rezipienten sensibilisieren und ihm die Vielfalt und Ästhetik der Vulva zugänglich machen.

Avec plaisir

Andreas Melzer

En couleur

Andreas Melzer

Le gros

Andreas Melzer

Menstrugram

Kim Kensbock

menstrugram’ ist ein auf Kooperation, Partizipation und Dauerhaftigkeit angelegtes Projekt, das an der Schnittstelle von Kunst und Politik ansetzt. Die Essenz von ‚menstrugram‘ liegt im gleichnamigen Instagram-​Account – der erste dieser Art, der ausschließlich abstrakte Fotografien von Menstruationsblut zeigt (www.instagram.com/menstrugram). Die Menstruation ist für die Hälfte der Weltbevölkerung für beinahe die Hälfte der Lebenszeit eine nicht zu verleugnende und unabänderliche Realität. Das Bild der Menstruation, der blutenden Frau, ist in den meisten Köpfen der Menschen und Kulturkreisen mit Ekel, Abscheu und unangenehmen Gefühlen besetzt. Warum eigentlich?

Das Projekt ‚menstrugram‘ versucht vielerlei:

  1. Einen Diskurs über die Menstruation an sich, den gesellschaftlichen Umgang und unsere kulturellen Ausformungen, anzuregen.
  2. Bilder der Menstruation neu zu besetzen, indem es die ästhetischen und malerischen Aspekte visuell aufzeigt und diese Bilder verbreitet.
  3. Menstruierende Menschen dazu einzuladen, an ‚menstrugram‘ zu partizipieren, ihren Blick auf die eigene Menstruation zu überdenken und möglicherweise neu zu strukturieren. Die Menstruation als malerische Bilderzeugung zu erkennen, kann diese auch zu einem ästhetischen Erlebnis machen.
  4. Die Plattform ‚Instagram‘ a) zu parodieren, b) zu untergraben, da Abbildungen mit Menstruationsblut als anstößig gelten und in der Vergangenheit regelmäßig gelöscht wurden (ein wenig erfolgreichen Protest gab es aber zum Glück schon) und c) sich dieses Forum der Bilderflut anzueignen und einen eigenen bisher unbeleuchteten Teil mit einfließen zu lassen (Landnahme für die eigene Agenda; Instagram als Inbegriff der Bilderflut als politischer Spielplatz)

Neben dem Instagram-​Account, wird ‚menstrugram‘ aber auch in Ausstellungen als Kunst an der Wand (C‑Prints hinter Plexiglas) gezeigt. Einerseits, um den Bildern eine weitere wichtige visuell-​ästhetische Wirkung zu ermöglichen. Andererseits, um die Bilder einem anderem Publikum sichtbar zu machen. Der Partizipationsgedanke des Projektes umfasst nicht nur die öffentliche Aufforderung, sich an der Bilderproduktion zu beteiligen, sondern auch das Sammeln von Geschichten der Erfahrungen mit der ersten Menstruation. Diese stellen einen weiteren wichtigen Teil der Ausstellung dar, der mit der Partizipation der Besucher*innen und prozesshaft entsteht und sich stetig weiterentwickelt. ‚menstrugram‘ ist der soziale und politische Gedanke bewusst eingeschrieben.